Der Kreis Euskirchen stellt die Weichen für einen deutlich stärkeren Rettungsdienst: Der neue Rettungsdienstbedarfsplan, der jetzt den politischen Gremien zur Beratung und Entscheidung vorliegt, sieht rund 40 Prozent mehr Vorhalteleistung vor – mit zusätzlichen Rettungswachen, weiteren Fahrzeugen und 50 neuen Stellen im Rettungsdienst. Landrat Markus Ramers betont: „Unser Ziel ist klar: Wer im Kreis Euskirchen in eine medizinische Notlage gerät, soll schnell und auf höchstem Niveau Hilfe erhalten. Dazu brauchen wir eine moderne, schlagkräftige und in der Fläche präsente Rettungsstruktur.“
Die Ausgangslage: Mehr Einsätze, längere Wege, verfehlte Hilfsfristen
Die Rahmenbedingungen für den Rettungsdienst haben sich in den vergangenen Jahren deutlich verschärft:
• Die Einsatzzahlen steigen kontinuierlich. 2023 wurden im Kreis Euskirchen über 19.000 Einsätze in der Notfallrettung, fast 8.000 Notarzteinsätze und eine ähnliche Zahl an Krankentransporten registriert.
• Durch die Schließung der Notaufnahme in Schleiden haben sich die Transportwege vor allem im Südkreis verlängert; Rettungswagen sind länger gebunden, und es kommt in den Notaufnahmen einzelner Kliniken zeitweise zu Wartezeiten bei der Patientenübergabe.
• Die gesetzlich vorgegebenen Planungsfristen – in der Stadt Euskirchen acht Minuten, in den übrigen, ländlich geprägten Kommunen zwölf Minuten, werden derzeit nur noch in gut 60 Prozent der Fälle erreicht.
„Gerade im Süden des Kreises sehen wir ein strukturelles Problem“, erläutert Martin Fehrmann, Leiter der Abteilung Gefahrenabwehr. „Wenn wir die Planungsfristen künftig zuverlässig einhalten wollen, bedarf es eines deutlichen Ausbaus des Rettungsdienstes in der Fläche.“
Der Kern des Plans: Rettungsdienst wird um 40 Prozent ausgebaut
Der Rettungsdienstbedarfsplan basiert auf umfangreichen Datenanalysen: Einsatzzahlen, Bevölkerungsentwicklung, Neubau von Senioreneinrichtungen und Gewerbegebieten sowie Fahrzeiten wurden in ein rechnergestütztes Modell eingespeist. Auf dieser Grundlage wurde ein Zielnetz für den Rettungsdienst entwickelt, das die Hilfsfristvorgaben künftig deutlich besser erfüllen soll.
Die wichtigsten Eckpunkte des Plans:
• Mehr Rettungswachen
Neue Rettungswachen in Kall und im Bad Münstereifel-Höhengebiet
Neuerrichtung der in der Flutkatastrophe 2021 zerstörten Rettungswache Bad Münstereifel an einen hochwassergeschützten Standort ins nördliche Stadtgebiet
Umzug der Wache Tondorf in den Bereich Blankenheim sowie der Wache Marmagen in die Gemeinde Dahlem.
Anpassung des Standortes Weilerswist in westliche Richtung
Zweite Wache in Euskirchen: Verlagerung vom Schwalbenberg in den südlichen Bereich der Kernstadt
Die bisherigen Standorte in Mechernich, Rescheid, Zülpich und zunächst auch Schleiden bleiben bestehen.
• Mehr Fahrzeuge
Ergänzung der bestehenden Fahrzeugflotte von derzeit 11 Rettungswagen (RTW), 7 Krankentransportwagen (KTW) und 4 Notarzteinsatzfahrzeugen (NEF) um
zwei weiteren RTWs und
acht KTW-N – ein neues Fahrzeugkonzept zwischen RTW und KTW, das insbesondere weniger zeitkritische Notfälle übernimmt.
• Mehr Personal
Aufstockung von derzeit rund 150 Vollzeitstellen im Rettungsdienst um 50 zusätzliche Stellen – beim Kreis selbst sowie bei den Hilfsorganisationen.
Die innovativen Konzepte: Neue Transportwagen, Leitstelle und Ausbildungsoffensive
Der Kreis Euskirchen setzt nicht nur auf mehr, sondern auch auf effektivere Strukturen im Rettungsdienst.
Die KTW-N werden in einem Modellversuch ergänzend zu den RTW im Tagesbetrieb eingesetzt. Sie sind so ausgestattet, dass sie medizinisch notwendige, aber nicht hochakute Notfälle zeitnah – in der Regel innerhalb von 20 Minuten – versorgen können. Damit werden die RTW von Einsätzen entlastet, für die keine hochspezialisierte Notfallversorgung erforderlich ist.
Eine Studie der Feuerwehr Köln hat gezeigt, dass ein erheblicher Teil der bisherigen RTW-Einsätze durch solche Fahrzeuge übernommen werden könnte. Das Konzept, das im Kreis Euskirchen bereits als Pilot erprobt wurde, findet sich voraussichtlich auch im neuen Rettungsdienstgesetz des Landes wieder und macht den Kreis erneut zu einem der Vorreiter in NRW.
Die moderne Leitstelle und der Telenotarzt als Rückgrat
Bereits seit März 2025 verfügt der Kreis über eine neue, hochmoderne Einheitliche Leitstelle, die alle eingehenden Notrufe bündelt und Einsätze für Brandschutz, Katastrophenschutz und Rettungsdienst koordiniert. Die moderne Leit- und Kommunikationstechnik und die Einführung des 24-Stunden-Dienstes ermöglicht es den Disponenten, die gestiegene Anzahl von rettungsdienstlichen Einsätzen effektiv abzuarbeiten und auch auf größere Lagen jederzeit reagieren zu können.
Zudem nutzt der Kreis Euskirchen seit mehreren Jahren telemedizinische Unterstützung durch den Telenotarzt. So können Rettungsteams vor Ort in komplexen Fällen unmittelbar ärztliche Expertise per Daten- und Bildübertragung hinzuziehen – ein wichtiger Baustein, gerade in der Fläche. Mit dem neuen Rettungsdienstbedarfsplan erfolgt der Vollausbau des Telenotarztsystems auf allen Rettungswagen.
Offensive gegen den Fachkräftemangel
Mit dem Ausbau der Fahrzeug- und Wachkapazitäten steigt auch der Personalbedarf. Der Kreis setzt daher auf eine Ausbildungsoffensive:
• Deutlicher Ausbau der Ausbildungsplätze für Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter.
• Gemeinsame Ausbildungskonzepte mit den Rettungsdienstpartnern, u.a. Einrichtung eines Simulations-RTWs.
• Stärkere Nutzung der Qualifikation von Rettungssanitäterinnen und Rettungssanitätern – insbesondere im ATW-Bereich.
„Wir wissen, dass der Arbeitsmarkt eng ist“, sagt Julia Baron. „Darum investieren wir gezielt in Ausbildung und gute Arbeitsbedingungen. Wer sich für eine Karriere im Rettungsdienst entscheidet, soll im Kreis Euskirchen attraktive Perspektiven vorfinden.“
Die Umsetzung in Stufen – Kosten im Blick
Nach der Diskussion in den politischen Gremien des Kreises und der Verabschiedung durch den Kreistag wird der neue Rettungsdienstbedarfsplan umgesetzt, und zwar in mehreren Stufen und über mehrere Jahre:
• Fahrzeuge werden – abhängig von Lieferzeiten von derzeit bis zu zwei Jahren – sukzessive beschafft.
• Für neue Rettungswachen prüft der Kreis sowohl Neubauten als auch die Anmietung geeigneter Bestandsimmobilien; Übergangslösungen mit Containerbauten sind möglich, um Standorte schneller in Betrieb zu nehmen.
Konkrete Gesamtkosten lassen sich derzeit noch nicht seriös beziffern – zu groß sind die Preisschwankungen bei Fahrzeugen, Bau- und Immobilienkosten. Klar ist aber: Es handelt sich um ein mehrjähriges Millionenprojekt, das zu großen Teilen über Gebühren finanziert wird.
Landrat Markus Ramers fasst zusammen: „Der Rettungsdienstbedarfsplan ist keine Wunschliste, sondern eine Notwendigkeit. Wir reagieren auf reale Veränderungen und setzen ein starkes Signal für mehr Sicherheit im Alltag der Menschen. Wenn die Politik den Plan beschließt, machen wir einen großen Schritt hin zu einer noch besseren Notfallversorgung im gesamten Kreisgebiet.“
Der Hintergrund: Was ist ein Rettungsdienstbedarfsplan?
Ein Rettungsdienstbedarfsplan legt für einen Landkreis fest, wie viele Rettungswachen, Fahrzeuge und Einsatzkräfte benötigt werden, um die gesetzlich vorgegebenen Hilfsfristen einzuhalten und die Bevölkerung bedarfsgerecht zu versorgen. Er wird in regelmäßigen Abständen fortgeschrieben und berücksichtigt unter anderem Bevölkerungsentwicklung, Einsatzstatistiken, Topographie und Verkehrswege.
